Wortschätze_d

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Wortschätze, Goethe Institut, London, 2003

Immer wieder wird die Übernahme von Anglizismen in das Deutsche beklagt und manche fürchten um den Verlust der eigenen Sprache. Während ihres Studienaufenthaltes in London stolperte die Künstlerin Steffi Jüngling aber im Gegenzug auf eine ganze Reihe deutscher Fremd-Wörter im Englischen, wie beispielsweise »Kindergarten«, »Blitzkrieg«, »Wunderkind« und so weiter.

Schließlich beschloß sie, ihr englisches Wörterbuch (»The new Penguin English Dictionary«) systematisch nach deutschen Worten zu durchsuchen. Die Anzahl der dort gefundenen deutschen Worte überraschte sie, zumal einige von ihnen im aktiven Deutsch kaum mehr vorkommen, wie zum Beispiel »Meerschaum«, abgeleitet von der »Meerschaumpfeife« oder etwa »Wanderlust«, »Weltschmerz« etcetera. Diese wiedergefundenen Begriffe ließen die Künstlerin ihre eigene Sprache neu entdecken und sie machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort, um diese Wörter wieder in die eigene Sprache zu re-importieren.

Hier erschien die Bibliothek des Goethe-Instituts ein geeigneter Ort zu sein, da sie eine Art deutsches Territorium in einem anderen Land darstellt. Ausgewählte Worte wurden zusammen mit ihrer Lautschrift, sowie der englischen Erklärung als Klebebuchstaben an die Fenster der deutschen Bibliothek im Herzen Londons angebracht, von wo sie zurück in ihren ursprünglichen Sprachraum scheinen. Insbesondere durch die seltsame Fremdheit der englischen Erläuterungen kann unser unbewußt angewandter Wortschatz als ein wirklicher Schatz erkannt werden, den es zu entdecken gilt. Diese Arbeit ist als Dauerinstallation an den Fenstern der Bibliothek erhalten.

Eine weitere Arbeit der Künstlerin intervenierte direkt in die Räumlichkeiten: die im Rahmen einer Bestandsaufnahme aus der Bibliothek gelöschten Bücher wurden zu einer Art Floß von ca. 3×4 Metern in dem Hauptraum arrangiert. Dieser überraschende Anblick eröffnete sich dem Besucher gleich beim Betreten der Bücherei. Die Buchrücken zeigten jeweils zum Boden, so dass nur der Buchschnitt sichtbar war. Auf diese Weise anonymisiert bildeten die Bücher eine bewegte Fläche, welche zu verschiedenen Assoziationen von einer Papierlandschaft bis zu einem Buchteppich einlud und dabei in seiner Farbigkeit an die Bilder Paul Klee´s erinnerte. Ein Augenkissen für die Besucher, das seinen Inhalt nicht preisgab.

wanderlust

zugzwang